Bereits ab dem Spätmittelalter haben Frauen begonnen, über die Fruchtbarkeit des Bodens nachzudenken. Warum? Weil sie ihre Familie zu ernähren hatten, zudem ihr eigenes Labor: ihren Garten. Alle der heute gängigen 12.000 Kulturpflanzen gingen letztendlich durch den Garten. Die Frauen des Spätmittelalters tüftelten in ihren Gärten, sie kreuzten Pflanzen, passten die Saat der jeweiligen Beschaffenheit des Bodens an, versuchten ihn fruchtbarer zu machen, ohne ihn dabei zu auszulaugen. Sie waren ja auf die kontinuierliche Fruchtbarkeit angewiesen, um ihren Familien Essen auf den Tisch stellen zu können. Der Ruf, viel über Pflanzen zu wissen, hätte für sie tödlich sein können. Allein ein wenig Wissen in Kräuterkunde reichte schon, um Frauen als Hexen auf den Scheiterhaufen zu bringen.
Doch die Frauen blieben noch verborge. Der eigene Garten der Frauen war ihr Refugium und oft eine der wenigen Möglichkeiten, produktiv etwas zu erwirtschaften: Ernähren, Heilen, Pflegen. Um ein „Zimmer für sich allein“ mussten Frauen in jeder Epoche kämpfen – ein Garten lag ihnen oft zu Füßen. Und er war die Keimzelle für den „ökologischen Landbau".
„Ökologischer Landbau“, das ist ein Sammelbegriff für verschiedene sich seit den 1920er Jahren in der Schweiz, Deutschland und England heraus-bildende Konzepte von Landbewirtschaftung. Sie alle propagieren ein ganzheitliches Verständnis von Mensch, Pflanze, Tier und Natur, geboren aus den Reformbewegungen Ende des 19. Jahr-hunderts. Zur Lebensreformbewegung gehörte auch eine naturgemäße Lebensweise, gesunde Ernährung, ein Leben auf dem Land, Selbstver-sorgung auf eigenem Grund, Naturheilkunde und ein freieres Körperverständnis. Das alles war eine Reaktion auf die einschneidenden gesellschaft-lichen Veränderungen im Schatten der Industri-alisierung und Urbanisierung.
Antrieb war das Bedürfnis, dem entfremdeten Dasein Sinn zu geben und sich selbst, Körper und Geist durch eine entsprechende Lebensweise zu spüren. Zu den bekannten Vorreitern gehören Rudolf Steiner und Hans Müller. Kein Wunder, dass Frauen in diesem Kontext auch die Geschlechter-rollen neu verhandeln wollten – den Humus dafür hatte schließlich die Frauenbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereitet. Erste Institute, Colleges und Schulen für Frauenbildung wurden gegründet und letztendlich wurde auch der allgemeine Zugang zu Universitäten erkämpft.
Viele der Öko-Pionierinnen besuchten die neu gegründeten Gartenbauschulen, wurden professionelle Gärtnerinnen oder gründeten selbst Ausbildungsstätten wie die Frauensiedlungen Loheland (1919) oder Schwarzerden (1923) in der Rhön. Diese Frauen wollten nun offen an den alternativen Konzepten arbeiten und ihre Erfolge weitergeben. Und ausnahmsweise hatten sie endlich mal einen Heimvorteil: Der ökologische Landbau war in seinen Anfängen mehr oder weniger terra incognita, wissenschaftliches Neuland, ohne festgelegte Terminologien, Grundprinzipien oder anerkannte Forschungs-methoden.
Wie lässt sich die Fruchtbarkeit des Bodens verbessern? Wie kann ich die Familie besser ernähren? Auch kam den Frauen zuass, dass ihre Forschung einen Außenseiterstatus hatte. Öko-Landbau galt in den männlich geprägten Agrarwissenschaften nicht als Wissenschaft, sondern als Ideologie. Infolge trafen Frauen seltener auf männliche Konkurrenz und Profilierungsgehabe.
Die erste Phase des ökologischen Landbaus trägt historisch den Titel „Natürlicher Landbau“. Seine große Wegbereiterin war Mina Hofstetter (1883–1967). Sie wurde im aargauischen Stilli als Tochter einer armen Fischer- und Flößerfamilie geboren und war als Kind oft schwer krank. In ihrem Leben spielte ihr Garten eine zentrale Rolle, er brachte die Familie durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg. Mina säte in ihrem Garten neben Gemüse auch Getreide, experimentierte mit Bodenbedeckung, Kompostieren, Fruchtwechsel, Mondkonstellationen. Sie verabscheute Giftspritzerei, warnte schon damals vor einer Übersäuerung der Böden und warb für die Idee „Gesunder Boden – gesunde Pflanzen“.